Stellungnahme der Landesgruppe Sachsen des Berufsverbandes der Berufsbetreuer, Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Förderung von Querschnittsaufgaben der Betreuungsvereine

11. Juni 2015

Die letzten Aktivitäten des Ministeriums für Justiz zur Förderung der Betreuungsvereine (Klärung Zuständigkeitsstreit zwischen Sozial- und Justizministerium; Entwurf neuer Richtlinie) zeigen, dass hier konkrete Taten statt viel Politisches Hin und Her möglich sind. Vielen Dank.

Um den gewünschten Effekt bei der Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine zukünftig zu verbessern und die ehrenamtliche Betreuung voranzubringen sowie zu stärken, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um das Ehrenamt bevölkerungsweit publik und interessant zu machen. Voraussetzung ist, dass Menschen und Aktionen dafür werben und in schwierigen Situationen dem Ehrenamt unterstützend zur Seite zu stehen. Das können wir uns bei der aktuellen Situation von Betreuungsvereinen nicht vorstellen, schon gar nicht, wenn diese mit ihrer beruflichen Betreuung einen Großteil der Querschnittsarbeit finanzieren sollen. Folge ist die Schwächung der Betreuungsvereine, deren Liquidation oder auf jeden Fall personelle Engpässe. Dann wird aber niemand mehr Ehrenamtler werben und im notwendigen Umfang beraten. Nehmen wir die zahlreichen Betreuungen, welche vom Ehrenamt in die Berufsbetreuung wechseln. Wie oft sind Überforderung der Angehörigen mit schweren Krankheitsbildern, unzähligen behördlichen Aufwand und finanziellen Entscheidungen Folge von Verzagen oder gerichtlich angeordneter Absetzung der ehrenamtlichen Betreuer. Die hohe Zahl der beruflich geführten Betreuungen haben sicherlich ihre Gründe auch in der fehlenden Bereitschaft von Bürgern Verantwortung für Angehörige, Bekannte oder einfach aus Nächstenliebe, deren Schulden und persönliches Chaos und Leid zu übernehmen. Komplizierte sozialrechtliche Konstrukte, ein dezentrales für einen Laien kaum durchschaubares Leistungsrecht mit schwerwiegenden Haftungsfolgen und komplexe Entscheidungssituationen, u.a. im medizinischen Bereich oder bei der Koordination von Hilfen, führen zur Verdrängung des ursprünglichen Gedankens im Betreuungsrecht, der vordergründigen Bestellung von Angehörigen und ehrenamtlichen Fremdbetreuern.

Die neu erarbeitete Richtlinie wird an dieser Situation wenig ändern, zumal auch Probleme wie z.B. die fehlende Präsenz in der Fläche (es gibt erhebliche weiße Flecke im Freistaat ohne Betreuungsvereine) komplett vernachlässigt wurden.

Die von uns angesprochenen Vereine haben angekündigt, auf Grund des hohen Eigenanteils mindestens 55% – 65% keinen Förderantrag zu stellen. Dies auch vor dem Hintergrund des gesetzlich eingeführten Mindestlohnes. Ein Vorschlag eines sehr aktiven und engagierten im BdB organisierten Betreuungsvereins ist, dass die Vereine bis zu einer neuen Haushaltsplanung die 300.000,00 € auf die 32 Vereine verteilen. 9.375,00 € + 10% Förderung Kommune + 10% Eigenanteil sind ca. 11.249,00 € Förderung gesamt. Für diese Fördersumme könnten die Betreuungsvereine eine viertel Stelle Querschnittsarbeit zur Verfügung stellen. Die Aufgaben müssten allerdings an diese Viertelstelle angepasst, also gemindert werden und es wäre nur ein Angebot als Übergang.

Die berufliche Betreuung ist aktuell unterfinanziert, die Vergütungsstruktur veraltet, der Schnelllebigkeit des Zeitalters hinterher hinkend. Rechtsprechung und Praxis bürden dem Betreuer mehr Verantwortung wider der Ursprungsgesetze auf (Beispiel, der Betreuer muss persönlich die Arbeitslosmeldung des Betreuten im Verhinderungsfall übernehmen, Gerichte fordern Dokumentation der Betreuerkontakte zum Klienten, obwohl in der Gesetzesbegründung 2005 diese ausdrücklich nicht mehr notwendig sein soll, der Betreuer ist in den Kontext der Maßnahmen nach dem SächsPsychKG zwingend eingebunden, siehe Paragraph 21 Abs. 3 Satz 2 SächsPsychKG usw. usf.).

Bei dem eingeschlagenen Kurs werden die Betreuungsvereine und die selbstständigen Betreuer ausbluten, das Ehrenamt aussterben, der Staatshaushalt mehr belastet, denn die Berufsbetreuungen steigen entsprechend der Alterspyramide und den gesellschaftlichen Veränderungen, z.B. massiver Abbau sozialer Sicherungssystem, fehlende andere Hilfen an. Zum Ehrenamt wird sich keiner oder nur wenige berufen fühlen. Dank der Globalisierung zerstreuen sich Familien, sind vor Ort für die „Alten und Kranken“ nicht da, wälzen auf Fremde ab.

Wenn wir jetzt nicht handeln, die Betreuung nicht zeitgemäß und genauso schnell entwickeln, wie sich alle anderen Dinge zum Teil explosionsartig verändern, werden wir unseren betreuungsbedürftigen Mitmenschen nicht gerecht, an der Finanzierung des aktuellen Systems zu Grunde gehen, wie auch immer das ausgestaltet sein wird (finanzieller Kollaps, Verwahrlosung und Hilflosigkeit von einsamen, kranken und schwachen Menschen).

Die Richtlinie bleibt daher ein Instrument zur Aufrechterhaltung des bestehenden Systems.

Tiefgreifende Veränderungen sind zwingend geboten, einer muss den Anfang machen, warum nicht Sachsen? Mit Mut, Offenheit und dem Willen auch schwierigen Situationen zu begegnen und Lösungen zu versuchen, kann man unter Verwendung bestehender Ressourcen eine zeitgemäße Betreuung schaffen. Dafür ist die Professionalisierung der beruflichen Betreuung zwingend notwendig. Zu überdenken ist eine grundlegende Veränderung des Systems im landesrechtlichen Rahmen als ersten Schritt. Konsequenterweise muss dies in der Bundespolitik dann weiter verfolgt werden.

Wir stellen uns als Verband mit dem vorhandenen Praxiswissen für die Ideenschmiede zur Verfügung. Professionelle Betreuer in Vereinen und Selbstständige sind die einzigen, welche komplexes, alle beteiligten Medien überschauendes Wissen besitzen, Verknüpfungen herstellen und Hilfen koordinieren können und müssen. Sie sind die Schaltzentrale, der Kopf eines Betreuungsfalles. Was spricht dagegen, dieses Wissen Familienbetreuern und ehrenamtlichen Fremdbetreuern zur Verfügung zu stellen? Sachsen verfügt noch über eine flächendeckende Betreuerlandschaft, egal ob Vereins- oder Berufsbetreuer. Gemeinsam sollten alle an der Gewinnung, Unterstützung und Beratung von Ehrenamtlern arbeiten.

Wir sind bereit und gewillt, sachlich und fachlich an der Veränderung mitzuarbeiten.
Mit freundlichen Grüßen

Fred Fiedler
Landesgruppensprecher BdB Sachsen